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Wohl wegen des sehr schönen Herbstwetters fand nur eine kleine Anzahl Interessierter (rund 10 Personen) den Weg ins Kafi Wäspi zum „Weisch no? - Treff".
Auch eine Vertreterin der Wiler Zeitung, Frau Steiger, war anwesend.

Klaus Sohmer hat eine sehr abwechslungsreiche Fotoauswahl getroffen und animierte die Besucher, zu den einzelnen Bildern ihre Erinnerungen zu berichten.
Bald fand eine rege Diskussion zu den jeweiligen Fotos statt.

Dazu einige Beispiele: 

Zum Foto der ehemaligen Gärtnerei Bosshart und späteren Gärtnerei Hänsenberger wurde die Frage der Einkaufsgewohnheiten der damaligen Zeit in die Runde geworfen. Wie reagierten die Bewohner auf den ersten Migros-Laden an der Schützenstrasse  im Jahr 1945? Die einhellige Meinung war, dass sich die Menschen zum Teil sehr aggressiv verhielten. Frau Therese Wirth wusste sich an eine Redewendung zu erinnern: „Du musst alles erbrechen, was du hast gekauft in der Migros.“ Da die Produkte durch die Migros günstiger wurden, reagierten die ‚privaten Läden’ (wie Staub und Künzle) verärgert, mussten jedoch auch ihre Preise anpassen, um konkurrenzfähig zu bleiben. Die Besserverdienenden gingen nicht in die Migros einkaufen, denn das war in diesen Kreisen verpönt. Eine Attraktion in Niederuzwil war die Einfahrt des ersten Migros-Verkaufswagens, wobei die jeweiligen Besucher aber wiederum von einigen Einwohnern kritisch beäugt oder sogar beschimpft wurden. Erstaunlich war auch die Spaltung des Einkaufsverhaltens bezüglich des Glaubens. Die evangelischen Einwohner gingen mehrheitlich  im Coop einkaufen und die Katholiken in die Konkordia. 

Zum Foto Defilee vom 24. September 1936 auf dem Henauer Feld wurden auch wiederum rege Erinnerungen wach. Zum Bau der Brücke über die Thur mussten unzählige Bäume gefällt und Zäune aus ihrer Verankerung gerissen werden. Die Buben und Mädchen fanden es spannend, nach Patronenhülsen zu suchen und dem Exerzieren der Soldaten zuzuschauen. Der Boden litt unter dem Marschieren der Soldaten und dem Ansturm von ca. 80'000 Besuchern; es war ein riesiger Matsch. Die Frage von Klaus Sohmer zu diesen Bildern war, wie die Einwohner die Mobilmachung und die Fliegeralarme erlebt haben.

Herr Butz erinnerte sich, dass vor allem unter den Kindern der Bauernfamilien keine grosse Freude herrschte, da natürlich die Arbeitsleistung der eingezogenen Männern fehlte und die Kinder grosse Mehrarbeit leisten mussten. Den Fliegeralarm fanden die meisten Bewohner jedoch eher spannend und man hatte das Gefühl, dass nicht wirklich grosse Angst herrschte. Die wenigsten Menschen suchten Schutz im Luftschutzkeller. Herr Geissendörfer berichtete, dass sobald der Alarm los ging, er ins Haus lief, das Licht löschte und die Fenster aufriss, um das ‚Spektakel’ anzuschauen. Die einhellige Meinung war, dass die meisten Bewohner sich der Gefahr wohl nicht richtig bewusst waren. Diese lag wohl eher in den Flak-Geschossteilen, die auf den Wiesen liegen blieben. Herr Butz berichtete, dass er als Junge die Aufgabe erhielt, die Geschossteile auf den Wiesen einzusammeln, damit die Kühe diese nicht frassen. Erinnern konnten sich auch einige an die Notlandungen der amerikanischen Bomber; da die Piloten dachten, sie seien auf deutschem Boden, hatten sie ihre Maschinen in Brand gesetzt.

Ein weiteres Foto zeigte verschiedene Gebäude, die zum grössten Teil heute nicht mehr stehen. Wie waren die sanitären Einrichtungen der Häuser? Hatte schon jede Wohnung fliessendes Wasser oder sogar ein Badezimmer?

Die meisten Anwesenden erinnerten sich, dass die ganze Familie einmal in der Woche in der Waschküche gebadet hatte. Herr Bischofberger wusste zu berichten, dass es in der Regel nur einen Wasserhahn im Haus gab, da ein sogenannter ‚Hahnen-Zins’ erhoben wurde, d.h. es wurde die Anzahl der vorhandenen Wasserhähne besteuert und nicht die Menge Wasser, die verbraucht wurde. 

Herr Geissendörfer erzählte, dass sein Elternhaus, welches im Jahr 1912 gebaut wurde, das erste Mietshaus in Uzwil war, welches in jeder Wohnung ein Badezimmer hatte. Aber es war noch bis Ende der vierziger Jahre gängig, dass in neu gebauten Mietshäusern keine Badezimmer vorgesehen waren. Die ‚Plumpsklos’ sind vielen Besuchern noch immer in guter Erinnerung. 

Bei einem Foto, auf welcher das Kaffee Hörni-Stalder abgebildet war, wurde die Runde von Klaus Sohmer gefragt, ob es zu der damaligen Zeit üblich war, dass Frauen alleine oder in Gruppen ein Café besucht hätten. Dies wurde allgemein verneint, da dazu kein Geld und auch keine Zeit vorhanden waren. Der Besuch in der Gaststätte war wohl eher den Männern vorbehalten. Manchmal wurde vielleicht nach dem Sonntag-Spaziergang ein Süssmost in einer Gaststätte getrunken. Eine Anwesende wusste zu berichten, dass ihr Vater am Sonntagnachmittag vielleicht noch zu einem Jass in die Gaststube gegangen war, aber unter der Woche dies nicht in Frage gekommen wäre. Herr Butz  erzählte, dass nach dem Milchzahltag die Männer sich zuerst zum Rasieren und danach zum Jassen getroffen hätten. 

Bei der Abbildung des ehemaligen Kaufhauses Schmid konnten sich viele an die grosse Weihnachtsausstellung erinnern, die in der Gegend einmalig war. Die Frage war, mit was die Kinder damals eigentlich gespielt hätten. Bei den besser gestellten Familien waren Porzellanpuppen zum Spielen da, ansonsten waren es vielleicht ein Bär, Kegel, Klötze, Hosenknöpfe, Spielkochherd, Puppenstuben usw. Auch wurde viel draussen auf der Strasse gespielt, wie Schlagball, Verstecken, Völkerball usw. Der Verkehr war damals natürlich noch nicht wie heute und deshalb war das Spielen auf der Strasse für die Kinder auch gefahrlos möglich. Zum Zeichnen dienten ausgediente Tapeten-Musterbücher; die Tapeten wurden auch dafür verwendet, Schulhefte einzufassen.  

Ebenfalls wurden diverse Fotos der alten sowie neuen Brücke Brübach-Felsegg gezeigt. Ab 1847 war dort die letzte kantonale Zollstätte. Der Bau der neuen Brücke (1947) war umstritten und es brauchte mehrere Anläufe, bis dieser von der Kantonsregierung genehmigt wurde.  

Auf einem weiteren Foto war die Fabrik von Math. Näf abgebildet. Leider fehlte die Zeit, um darauf näher einzugehen; dies wird zu einem späteren Zeitpunkt nachgeholt. Herr Hugentobler konnte sich auch an die Nutriafarm (Nutria = ein biberähnliches Pelztier) hinter der Stickerei Näf erinnern. Diese wird ebenfalls bei einem späteren „Weisch no?“-Treff wieder zur Sprache kommen. 

Zum Schluss trug Herr Bischofberger noch eine Anekdote anlässlich der baldigen Schliessung des Bahnhofs Algetshausen-Henau vor. Dies war der grösste Bahnhof zwischen St. Gallen und Zürich – aber nur der Anzahl Buchstaben nach. Ein Billett 3. Klasse St. Gallen – Zürich retour kostete 1855 Fr. 4.65. Zum Vergleich: Der Stundenlohn eines Arbeiters betrug damals 20 Rappen, d.h. bei einer Arbeitsleistung von ca. 13 Stunden pro Tag musste ein Arbeiter zwei Tagelöhne für ein solches Billett ausgeben.

Bericht von Doris Scherrer, 24. Oktober 2011